J.J. Augustin, 1936. — 122 S. — (Ägyptologische Forschungen 1).
Es ist auffallend, dass die Kunst der ägyptischen Spätzeit, an der sich doch die erste, allerdings sehr falsche Meinung über Ägypten gebildet hat, so offensichtlich als Stiefkind der Ägyptologie behandelt wird. Das erklärt sich zum Teil daraus, dass die Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte so unendlich viel Neues für die ägyptische Kunst überhaupt ergeben haben, für die Erkenntnis ihres Entstehens in der frühen Menschheitsgeschichte, ihres organischen Wachstums im Lauf der Jahrtausende, dass die Betrachtung des alternden Volks und einer Epigonenkunst dagegen zurücktrat. Ähnlich ergeht es ja auch der Bewertung der römischen Kunst, die zu Goethes Zeit als Offenbarung der Antike galt, bis die modernen Ausgrabungen an ihre Stelle die griechischen Originale setzten, welche die römische Kunst eine Zeit lang über Gebühr beiseite schoben.
Nachdem jetzt aber erkannt ist, -- was früher durchaus nicht als selbstverständlich erschien - dass die ägyptische Kunst wie jede andere sich wandeln musste von der Jugend zur Reife bis zum Altern und nachdem man diese Phasen auch auseinanderzuhalten gelernt hat, scheinen neue Möglichkeiten für die Beurteilung der Spätzeitkunst gekommen, und es lässt sich zeigen, dass sie ebensowenig wie die Kunst der vorhergehenden Zeit ein Konglomerat gleichartiger Werke darstellt, sondern in den Hauptwerken mindestens einen deutlichen Entwicklungsweg durchläuft, auf dem Zeiten grösserer Produktivität mit Phasen des Zurückgreifens auf "klassische" Vorbilder wechseln.