Wien; Köln: Böhlau, 1999. — 303 p.
PONTIUS PILATUS ist eine Schlüsselfigur der Weltgeschichte. Am Kreuzweg von Römertum, Judentum und Christentum hat er ohne Wissen und Willen durch eine Routine-Entscheidung eine Bewegung ausgelöst, die - unbemerkt von den Zeitgenossen - das Bild der Menschheit verändert hat. Pilatus gehört damit nicht weniger der theologischen als der historischen Wissenschaft an. Um die Voraussetzung und die unmittelbare Wirkung seines Urteils zu verstehen, ist die Erinnerung der Juden an das Davidsreich und ihre Messiaserwartung zu bedenken, das Ausgreifen der Römer nach Osten und das System ihrer Provinzialherrschaft, die Eigenart der biblischen und nicht-biblischen Quellen, unter ihnen die sensationelle Pilatus-Inschrift aus Caesarea, gefunden 1961, sowie die Ereignisfolge von Golgatha bis zur Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. Die Frage, was wäre geschehen, wenn Pilatus Jesus verschont hätte, fordert von der historischen Phantasie Alternativen zum Verlauf der Geschichte. Ein Ausblick auf die Rolle des Pilatus im christlichen Glaubensbekenntnis, in der Legende, der Literatur und der Kunst runden das Bild eines Mannes ab, von dem Nietzsche bemerkte, er sei die einzige Gestalt im Neuen Testament, die Respekt verdiene.